Germania Magna

Roms erfolglose Versuche, eine weitere Provinz zwischen dem Rhein und der Donau zu gründen. Arminius und Marbod. 

Sweben und Germanen

Die Bewohner der Germania magna

Warum die Bezeichnungen Sweben und Germanen? Sind die Sweben nicht Germanen? In Germania Magna, so sollte man annehmen, lebten die Germanen. Weit gefehlt. Es lebten dort auch Sweben, weit mehr als Germanen. Doch eine Heimat mit ihrem Namensbezug erhielten sie nicht, sieht man einmal von dem glücklicherweise überlieferten Landesnamen Schwaben ab. Erinnert sei auch noch an den Schwabengau zwischen Bode und Saale. Die Namensgebung Germania für die weiten Gebiete zwischen dem Rhein und der Weichsel einerseits und den Alpen und der Nord- und Ostsee andererseits ist schlichtweg unpassend. Caesar nannte in seinem Buch "Der Gallische Krieg" die Menschen am Niederrhein Germanen und die am Oberrhein lebenden Sweben. Deren König Ariovist war sein Gegner.

Zwei Zitate sollen den Germanenbegriff untersetzen:

"...Die meisten Belger stammten von den Germanen ab, seien vor langer Zeit über den Rhein gekommen...; sie hätten die dort ansässigen Gallier vertrieben und ..." (liber II, 4, 2). Die Belger waren germanischen Blutes und mit ihren nördlichen und östlichen Nachbarn verwandt. Das waren "...die Condruser, Eburonen, Caeroser, Paemonen, die gemeinschaftlich Germanen heißen,..."(liber II, 4). Aus seinen Berichten können wir noch weitere Stämme entnehmen, die er als Germanen bezeichnete, die Ubier (seine engsten Verbündeten), die Aduatuker, Tenkterer, Menapier, Usipeter und vor allem die Sugambrer. Im Falle der Treverer a Mosel und Mittelrhein hielt er sich bedeckter, da er Anhänger unter ihnen hatte. Er bertachtete sie als engste Freunde und Verbündete der Germanen; sie setzten nach Bedarf über den Fluss. Alle anderen Stämme lebten im Einzugsgebiet des Niederrheins, zu dem die Sekundärgebiete der Nebenflüsse Lahn, Sieg, Lippe, Maas und Schelde, um einige zu nennen, gehörten. Überliefert ist bis heute die der geografische Begriff Niederlande, der den politischen (den heutigen Staat) größenmäßig übertrifft. Nach der Unterwerfung der Belger, unter denen die Nervier den größten Widerstand leisteten, griff Caesar die eigentlichen germanischen Stämme an. Interessant ist, welche engen Bezüge er zwischen diesen Stämmen und den 50 Jahre zuvor in der römischen Provinz Gallia Transalpina kämpfenden Teutonen und Ambronen herstellte. Er sah im Stamm der Aduatuker noch immer den Kern der überlebenden Teutonen. Und er entwickelte einen unglaublichen Hass auf die Eburonen und Sugambrer, hinter denen er die Teutonen und Ambronen stehen und erbitterten Widerstand leisten sah. Dieser Hass verführte ihn sogar dazu, den Rhein zu überschreiten und die Sugambrer (Südamburonen) anzugreifen. Er personifizierte seine Rachegelüste in König Ambiorix, dessen Stamm der Eburonen er auslöschen wollte. 

Es ist nicht vermessen, den geografischen Raum Niederlande mit dem Lebensraum der Teutonen und Ambronen gleich zu setzen. Die englische Überlieferung der Bezeichnung Dutch für die Niederländer, also Deutsche, zeigt, wie langlebig Traditionen sein können. Wenige Jahrhundert nach der Zeitenwende formierten sich diese germanischen Stämme zu einem neuen Stammesverband, der sich Franken nannte und die Römer vertrieb. Der Rhein, der mitten durch das germanische Gebiet fließt, wurde durch die Römer Staatsgrenze und teilte die Lebensräume der Stämme. Damit haben sich die Betroffenen niemals abgefunden, wie die Geschichte zeigt. Die Römer versuchten, den linksrheinischen Germanen ihre Identität zu nehmen, in dem sie in die Provinz Gallia Belgica eingefügt und als römische Untertanen Gallier zu heißen hatten. Germanen nannten von da an die Römer nur noch die auf dem rechten Ufer lebenden Stämme. Sie dehnten deshalb die Bezeichnung Germania auf den weiten Raum zwischen Rhein und Weichsel aus. Erst Domitian änderte das. Er schuf zwei neue germanische Provinzen; Germania inferior und Germania superior. Damit deckten sich nach über Hundert Jahren die ethnischen mit den politischen Räumen.

Gleichzeitig mit der Erwähnung der Germanen übermittelt Caesar die Bezeichnung Sweben. Schon im ersten Jahr seines Gallischen Krieges, der sich tatsächlich nicht gegen Gallier, sondern gegen die Helveter und Sweben richtete, stellt er Bezüge zu dem Zug der Teutonen her. Hinter den Helvetern stehen in Wirklichkeit die Tiguriner, die als Verbündete der Teutonen gegen die Römer kämpften. In Agen fiel ein Verwandter aus Caesars Familie. Um diese lang zurückliegende Geschichte erneut zu dramatisieren, ließ er in seinem Buch eine Begegnung mit dem damaligen Heerführer Divico anführen. Obwohl er als Sieger über diesen Mann posierte, besetzte er das Land der Tiguriner nicht. Vielmehr richtete sich sein Interesse auf den König der Sweben, Ariovist, zu dessen Einflussgebiet das Oberrhein-Tal und die Stammesgebiete der Sequaner und Haeduer gehörten. Er besiegte Ariovist, dessen Persönlichkeit ihn so stark beeindruckte, dass er ihm lange Dialoge im Buch widmete. Im Gegensatz zu seinen Eroberungsplänen besetzte er das Oberrheintal nicht und ließ die swebischen Gebiete hinter dem Schwarzwald in Ruhe. Wir wissen durch diese Begebenheiten, dass am Oberrhein Sweben lebten.

Die befreundeten Ubier am Niederrhein baten Caesar wiederholt um Hilfe gegen Angriffe der Sweben, die ihre östlichen Nachbarn waren. Der Feldherr widmete in seinem Buch diesem Volk oder Stamm ausführliche, wenn auch mehrmals sehr verwunderliche Beschreibungen. Übermittelt wird in jedem Fall der Eindruck eines gewaltigen Volkes, zahlreich und mit ausgedehnten Stammesgebieten. Tacitus griff diese Thematik auf und vermittelt uns, dass alle Flussgebiete Mitteleuropas, der Weser, der Elbe, der Oder und der Weichsel von Sweben bewohnt wurden. Obwohl die Sweben in Mitteleuropa dominierten, blieb der von den Römern übergestülpte Name Germania magna für ihren Lebensraum bestehen. Richtiger wäre die Bezeichnung Swebia magna gewesen.

Germanen lebten nur in den Niederlanden, d.h. in dem heutigen Staat Niederlande und in Nordrhein-Westfalen. In allen übrigen Gebieten zwischen Nord- und Ostsee und Alpen und zwischen Weser und Weichsel-Bug-Dnister gehörten die Bewohner dem großen Volk der Sweben an. Die Sweben als germanisch einzustufen, ist ethnisch unzulässig. Germania magna ist eine politisch gewollte Bezeichnung, die allein römischer Außenpolitik entstammt.

Die nachfolgende Karte von Mitteleuropa zeigt die Vorstellungen des Autors über die Ausdehnung der germanischen und swebischen Stammesgebiete in Mitteleuropa zur Zeitenwende.


Mitteleuropa zur Zeitenwende

Mitteleuropa war zur Zeitenwende durch den Vorstoß der Römer nach Norden in eine instabile Lage geraten. Das Gebiet der Germanen am Niederrhein zerfiel in zwei Teile, ein römisches links des Rheins und ein freies rechts des Rheins. Dort entlang der Lippe hatten die Sugambrer den größten Einfluss über ihre Nachbarstämme. Ähnlich verhielt es sich am Oberrhein. Dort lebten swebische Stämme auf beiden Seiten des Flusses, deren Gebiete vorerst ebenfalls geteilt wurden. Nur die Tiguriner und Räter gerieten vollständig unter die römische Herrschaft, während die Neckarsweben noch die Freiheit genießen konnten. Entlang der oberen Donau hatte sich der Großstamm der Boier gebildet. Sein Gebiet deckte sich annähernd mit dem Flussgebiet der Donau und reichte bis zur Raab. Nach Norden waren hermundurische Stammesteile in Böhmen (das noch an den Stammesnamen erinnert) unter boische Herrschaft geraten. Rechts der Donau wurden alle boische Stammesteile von den Römern und Norikern unterworfen. Links des Flusses blieben sie frei. Doch begaben sich diese Gaue unter den Schutz der hermundurischen Markomannen. In Mähren hatte sich der Gau der Quaden verselbständigt.

Die Flussgebiete der Weser, Elbe, Oder und Weichsel wurden von swebischen Stämmen eingenommen. Die Ausdehnung ihrer Gebiete von der Nord- und Ostsee bis zu die Alpenkämmen war durch die neue römische Grenze an der Donau eingeschränkt worden. Ein weiteres Vordringen der Eroberer sollte unter allen Umständen verhindert werden. Den Römern stand kein swebischer Staat gegenüber. Es gab zwar Entwicklungen zu größeren Stammesverbänden wie dem der Chatten und Cherusker an der Weser, den Markomannenbund aller Elbsweben, den Vandalenverband an der Oder, den Gotenverband an der unteren Weichsel und den der Bastarnen am Pruth, doch fehlte eine festgefügte Organisation aller Stämme unter einem Dach und einer Führung. Kulturell hatten sich die Elbsweben mit der Jastorfkultur eine gemeinschaftliche Lebensform gegeben, während und die Donau- und Oberrheinsweben durch ihre engen Beziehungen zum Mittelmeerraum Träger der Latènekultur waren.

Den Römern waren diese Verhältnisse bekannt. Augustus plante aus gutem Grund die Bildung einer neuen Provinz Germania magna. nicht nur ein Vorfeld vor der Provinz der drei Gallien galt es zu schaffen, sondern vor allem brauchte Rom Agrarprodukte für seine Bevölkerung in den Gebieten, in denen Landwirtschaft wenig ertragreich war. In Germania magna gab es genügend fruchtbares Ackerland auf Lösböden, besonders bei den Hermunduren an der Mittelelbe, Bode und Saale. Die Zersplitterung der Bevölkerung in eine Vielzahl von Stämmen ermunterte die römischen Politiker und Heerführer zur Unterwerfung dieser Gebiete. 

Wie sie das planten, und wie die germanischen und swebischen Stämme darauf reagierten, wie sich in Zeiten großer Gefahr ein gemeinsames Denken und Handeln durchsetzte, das wird in dem Buch "Germania Magna" nachgezeichnet. Je aktiver die Römer vorgingen, desto aktiver wurden die Stämme in der Gegenwehr; je härter die Römer ihre Feldzüge führten, desto stärker wurden die Stammeskrieger und ihre Anführer. Rom forderte sein Schicksal heraus.     

   

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